Es war schön, dass zum ersten Treffen schon so viele zusammengekommen sind. Wie so oft, gibt es auch zum Thema "Perspektivenwechsel" kein Patentrezept. Ich habe dennoch ein paar Punkte für uns zur Erinnerung notiert.
Im traditionellen Liebesroman herrscht der Wechsel zwischen Mann und Frau vor. Im queeren Liebesroman werden das dann eben zwei gleichgeschlechtliche Menschen sein, zur Unterscheidung bleibe ich bei Mann und Frau in den Beispielen.
1.) Ob man den Wechsel kapitelweise und mit Namensnennung macht oder innerhalb der Kapitel, muss jede*r Autor*in überlegen. Wenn es den Leser*innen allerdings nur durch die Namensnennung am Anfang klar wird, wer gerade erzählt, wäre es jedoch schwach.
2.) erste oder dritte Person?
Beides ist möglich. Es ist sogar denkbar, beides zu mischen, so dass sie z. B. in der ich-Perspektive erzählt und seine Sicht in dritter Person erzählt wird. Dann sind die Leser*innen automatisch näher bei ihr.
3.) Wechsel:
Es muss nicht fifty-fifty Frau / Mann aufgeteilt werden. Es ist okay, z. B. die männliche Perspektive am Ende aus Spannungsgründen wegzulassen.
4.) Ausgewogenheit:
Was aber ausgewogen sein sollte, ist die Stimmung. Hier sollte es keine zu krassen Unterschiede zwischen den Personen geben. Und es sollte in die Gesamtstimmung des Romans passen.
5.) Erzählstimme
In der ich-Perspektive können / sollten sich diese Erzählstimmen schon unterscheiden, aber die Sprache muss dabei nicht komplett unterschiedlich ausfallen. Der Wechsel zwischen Teenie-Slang und Bildungsjargon könnte die Leser*innen überfordern oder sehr aufgesetzt wirken. Wenn einer immer krass flucht, passt das vielleicht nicht zum idyllischen Romance-Bereich. Wenn die Protagonisten sich im Charakter unterscheiden (eine schüchtern, eine forsch, ...), reicht das wohl aus und reißt niemanden aus dem Lesefluss.
Fazit: Viel ist Geschmacksache. Keine zu krassen Wechsel, sonst fällt man zu sehr aus dem Lesefluss. Aber zweifelsohne liegen Perspektivenwechsel momentan im Romance-Bereich im Trend (bei Romantasy vielleicht nicht so krass, aber dennoch gibt es einige Beispiele)
Ein paar Buchtipps zum Thema "Perspektivenwechsel":
- "Schlussmachen für Anfänger" von Megan McGary (spannend oder gewöhnungsbedürftig? Wechsel innerhalb des Kapitels, 3. Person)
- "All das Ungesagte zwischen uns" von Coleen Hoover (Abtrennung Kapitelweise, Mutter und Tochter, beides in ich-Perspektive)
- „Ohne ein einziges Wort“ von Rosie Walsh und Stefanie Retterbush (Spannend gelöst: Einige Kapiteln aus ihrer Sicht und dann wechselt es ziemlich hart (vielleicht irritierend) und wird aus seiner Sicht zu Ende erzählt.)
- "Unter der Asche" von Tom Finnek (historischer Roman, die gleiche Szene wird aus unterschiedlichen Persepktiven erzählt)
- Der Film "8 Blickwinkel" treibt dieses Phänomen auf die Spitze.